Brief an die Kollegen

Liebe Kollegen,

ich möchte mich mit einer Herzensangelegenheit an Euch wenden und alle Hobbykeramiker bitten, ab hier nicht mehr mitzulesen.

Als ich mich im letzten Jahrtausend – 1999 – selbständig machte, waren die goldenen Zeiten im Keramikgeschäft längst vorüber. Ich wusste nur aus Erzählungen von Ausstellungen angesehener Keramiker, bei denen schon vor Eröffnung die Hälfte der Exponate durch heimliche „Reservierungen“ verkauft waren und der Rest dann spätestens am Abend der Ausstellungseröffnung.

Nach einem regelrechten Keramik-Boom – mit seinem Höhepunkt in den achtziger Jahren – hatte sich eine gewisse Müdigkeit eingestellt. Jeder hatte sich inzwischen schon mal versucht in diesem herrlich willigen Material, denn es gab inzwischen unzählige Angebote an Kursen und Fach-Frauen und -Männer, die bereit waren, jeden zu unterstützen, der sich mal „im Ton vergreifen wollte“. Auch ich bin im Kindesalter auf diese Art und Weise auf den Ton gekommen.

Jeder – ob Raucher oder nicht – töpferte in mehr oder weniger gekonnter Würstchentechnik den obligatorischen Aschenbecher (vielleicht weil man so schnell damit fertig war). Es entstanden Pantoffelähnliche Formen für die Wand, überzogen mit scheußlichsten Effektglasuren,  in die man später seine Brille oder wahlweise ein paar Trockenblumen stecken konnte. Geniale Erfindungen wie Hüllen für Streichholzschachteln aus Keramik wurden gemacht, unzählige Türschilder und kleine Sprossenfenster mit Fensterbänkchen, welches ein kunstvoll gestaltetes Blumentöpfchen oder eine zusammengerollte Katze zierte. Heerscharen von Eulen, Igelchen und Elefanten marschierten aus den Öfen der Volkshochschulen, Jugendzentren und Hobbykellern.

Einmal gebrannt standen sie nun für immer in der Welt und prägten das Bild der Keramik, und wenn sie nicht mal glücklich herunterfallen, werden sie noch Jahrmillionen überleben.

Natürlich gab und gibt es immer auch professionell arbeitende Keramiker, die phantastische Arbeiten hervorbringen – in allen Bereichen der Keramik – schöne Geschirrserien, bildhauerisch hochwertige Plastiken, tolle baukeramische Erzeugnisse sowie eine ganze Reihe gut gestalteter Gefäße.

Doch diese waren für die Allgemeinheit schwer zu erkennen und zu entdecken zwischen all den Ergebnissen aus Selbstverwirklichungsversuchen in der Toskana oder sonstwo.

Nach absolvierter Töpferlehre und Studium war ich wild entschlossen, gegen den Ruf, den das Töpferhandwerk inzwischen hatte, anzukämpfen. Ich dachte mir immer: Wenn ich es in dieser schwierigen Zeit schaffe, von meiner Hände Arbeit zu leben – wie einfach muss es dann eigentlich sein, wenn diese „schwierigen Zeiten“ für die Keramik vorüber sind.

Zugegeben – damit hätte ich jetzt gar nicht gerechnet, aber es ist nun scheinbar so weit! Die Assoziationen zum Töpferhandwerk, die ich nun ausgiebig beschrieben habe, scheinen verblasst, eine gewisse Müdigkeit gegenüber immer gleicher werden Produkten in den immer gleicher werdenden Innenstädten hat sich breit gemacht und eine große Sehnsucht nach Individuellem und Authentischem ist allgegenwärtig. Keramik ist total angesagt. Sterneköche und ihre Restaurants fliegen auf handgetöpfertes Geschirr, was zur Folge hat, dass die Industrie nun Produkte anbietet, die wie handgetöpfert aussehen – was für eine Ironie!

In England lief die Töpfer-Show „The great pottery throw down“ mit riesigem Erfolg und auf der gesamten Insel sind sämtliche Töpferkurse ausgebucht.

Und hier ist der Grund, warum ich mich an dieser Stelle an Euch wende. Ich möchte mit Euch darüber nachdenken, wie man dieses Mal das Ansehen unseres Handwerks bewahren und festigen kann.

In jedem Fall sollten wir auf die Qualität der stattfindenden Veranstaltungen achten und uns aktiv dafür einsetzen! Wir sind eine lebendige und innovative Szene und unsere Stärke ist Qualität, Spontanität, Vielfalt und Individualismus.

Ich selber gebe keine Kurse und möchte es auch nicht. Ich finde es natürlich völlig in Ordnung, Workshops anzubieten, aber es ist wichtig hier sehr klar zu trennen – zwischen professionellem Handwerk und Hobbyismus und zu vermitteln, dass es ein langer Weg ist bis man auf professionellem Niveau arbeitet. Kursteilnehmer und Kunden müssen lernen, den Unterschied zu erkennen.

Ich möchte warnen davor, dass es wieder eine Hoch-Zeit für Selbstgemachtes gibt mit einem erneuten Absturz in ein paar Jahren, wenn der Trend „durch“ ist. Früher waren es gehäkelte Topflappen oder Hüllen für Klopapierrollen, heute sind es gehäkelte Handytäschchen – aber im Grunde ist es dieselbe Sehnsucht nach Selbstverwirklichung, die sich breit macht und ja auch ihre Berechtigung hat.

Vielleicht ist der jetzige Zeitpunkt eine gute Chance, unserem Handwerk einen ständigen und neuen Platz in unserer Kultur einzuräumen. Zugegeben – das sind hochgesteckte Ziele und wenn ich ehrlich bin, sind es daneben auch ganz egoistische Gründe, die mich dazu bewogen haben dieses Anschreiben hier zu verfassen: ich möchte diese aufkommende Welle möglichst lange mit Euch zusammen auskosten!

Und Sie sollten doch eigentlich gar nicht mitlesen, lieber Hobbykeramiker. Nun ja – wo Sie schon hier angekommen sind – vielleicht auch ein Appell an Sie:

Hören sie gut zu, was Ihr Lehrer Ihnen versucht zu vermitteln. Seien Sie nicht allzu schnell zufrieden mit Ihrem Werk. Ton lässt sich auch im getrockneten Zustand immer wieder einweichen und neu verarbeiten und wenn das Werk dann doch gebrannt ist und Ihnen nicht wirklich gefällt: einfach mal mit dem Hammer draufhauen!

Herzliche Grüße aus Köln!

Frank Schillo